Heute ergaben sich auf twitter ein paar interessante Diskussionsstränge über „offene“, „kostenlose“ und „freie“ Werke.

Der Auslöser: Eine Lehrkraft, @doodleteacher, der kostenlose Materialien bereitstellt und diese „offen“ nennt, obwohl sie es nicht sind:

Screenshot eines Twitter-Dialogs zwischen @doodleteacher und mir

Obwohl die Definition von Open Educational Resources (kurz: OER), die zum Beispiel die Unesco in ihren Guidelines on the development of open educational resources policies gibt, ziemlich eindeutig ist, habe ich mich auch lange irgendwie schwer getan, klar zu umreißen, was OER genau sind. Nach dieser Definition sollen OER folgende Eigenschaften besitzen:

Quelle: The five freedoms of OER, aus: Guidelines on the development of open educational resources policies, CC-BY-SA 3.0 von UNESCO

kostenlos != offen

Doodleteacher ist – zu Recht – stolz darauf, dass sein Werk Ende 2019 schon von vielen Lehrkräften eingesetzt wurde. Beim Werk handelt es sich um eine Art Arbeitsblatt als Sketchnote, das er kostenlos auf https://lehrermarktplatz.de, einem Marktplatz für kostenlose, aber wohl größtenteils auch kostenpflichtige Unterrichtsmaterialien, bereitstellt.

Stefanie Maurer erklärt in einer Antwort, warum das Material nicht offen ist und welche Intention hier OER steckt:

Screenshot eines Teils der Diskussion

Doodleteacher stellt das Werk kostenlos zur Verfügung, sodass es Lehrkräfte einsetzen können. Sie können es jedoch nicht verändern oder anpassen. Zudem wird das Material nicht in einem offenen Dateiformat angeboten, was nach der strengen Auslegung von OER allein schon ein K.O.-Kriterium zu sein scheint.

Auch wenn Doodleteacher sein Material im Ausgangstweet „offen“ nennt, ist es das nicht. Auch dann nicht, wenn durch die kostenlose Bereitstellung eine breite Nutzung erreicht wird. Das Material ist kostenlos, aber eben auch „nur“ das – kostenlos, nicht offen.

Nicht offen = nicht wertvoll?

Durch den „Gegenwind“, den doodleteacher im Rahmen der „Offen“-Debatte spürt, könnte der Eindruck entstehen, dass alles, was kostenlos, aber nicht OER ist, per se schlecht ist.

Das mögen brennende OER-Verfechter*innen aus dem twitter-Lehrerzimmer sicherlich auch so sehen, ich sehe das jedoch ein wenig anders.

Auch wenn ich die Idee hinter OER großartig finde und selbst schon einige OER-Materialien veröffentlichte habe, gibt’s für mich und meine hier und woanders veröffentlichten Materialien in meinen Augen gute Gründe, sie eben nicht als OER zu veröffentlichen. Mal trifft der eine Grund zu, mal der andere:

  • Ein Werk nutzt eingebettete Grafiken, in meinem Fall beispielsweise von einem bezahlten Premium The Noun Project Account. Damit muss ich keine Lizenz angeben, darf das Gesamtwerk verbreiten und nutzbar machen, muss aber sicherstellen, dass die Einzel-Icons nicht ohne Weiteres wiederverwendet werden können. Meine Alternativen: Icons selbst machen, was aus zeitlichen Gründen oft ausscheidet, oder die Grafik „nur“ unter CC-BY-ND veröffentlichen. Damit ist es nicht mehr OER, die letztendliche Alternative wäre jedoch, das Material gar nicht zu veröffentlichen, was dann auch niemandem hilft.
  • Man hat ein Werk erstellt, das zwar kostenlos bereitgestellt werden kann, es aber nochmal deutlich mehr Zeit beanspruchen würde, es auch als OER zu veröffentlichen. Auch da sehe ich den gleichen Trade-off: als Nicht-OER veröffentlichen und KuK davon profitieren lassen, oder gar nicht veröffentlichen?
  • Man investiert überdurchschnittlich viel Zeit in einen Teil seiner Arbeit – hier in die die Erstellung von Material. Diese Zeit möchte man sich „vergüten“ lassen – monetär von einem Verlag, oder etwa von Kunden auf Portalen wie dem oben genannten. Das halte ich für legitim, schließlich wird doch auch die Mehrarbeit durch die Übernahme schulischer Aufgaben – vom Vertretungsplan über die IT-Pflege bis hin zur Chorleitung – oft mit Anrechnungsstunden und damit einem zeitlichen Ausgleich „bezahlt“.

Den größten Respekt für alle, die zusätzliche Aufgaben und Arbeiten ohne unmittelbare Gegenleistung machen, einfach weil sie an die Sache glauben oder Spaß daran haben. Auch deshalb veröffentliche ich OER, weil’s Spaß macht 🙂 Gleichzeitig finde ich es nicht verwerflich, als Autor*in frei zu entscheiden, ob man sein in der Freizeit zusätzlich erstelltes Unterrichtsmaterial (das Fass mit „das gehört dem Dienstherrn“ soll an dieser Stelle zu bleiben…) kostenpflichtig, kostenlos oder offen anderen zur Verfügung stellt. Kostenlos UND offen ist natürlich die perfekte Lösung, aber kostenlos ist doch schon mal viel besser als für sich auf der Festplatte hortend, oder?